1852-01-01 10.2307/j50000898 1 46 10.2307/j50000901 36 1852 10.2307/40844209 zeitvergspradeut Vokaleinfügung im Oskischen 36-46 Vokaleinfügung im Oskischen.Unsere kenntnifs der italischen dialekte hat in der letzten zeit wesentliche fortschritte gemacht und das Studium derselben hat schon jetzt zu ergebnifsen geführt, die gleich interessant für die ethnographie, wie für die Sprachenkunde sein dürften. Neben das lateinische, den bis jetzt uns allein zugänglich gewesenen sprofs jenes grofsen sprachstammes, sind andere, augenscheinlich gleichberechtigte getreten und die materialien zu einer dialekto- logie der italischen sprachen sind bereits zu einem umfange an- gewachsen, der eine wissenschaftliche darstellung derselben in kürzester frist zu ermöglichen verspricht. Vorarbeiten zu diesem zwecke dürften bei der Wichtigkeit des gegenstandes nicht un- willkommen sein und die nachstehenden zeilen, bestimmt, einen ocr-44 p-44 vokaleinfügiing im Oskischen. 37 punkt der samnitischen lautlehre im verhältnifs zum lateinischen aufzuklären , mögen daher hier einen plalz finden. - Bereits M o mm s en (Unterit. dial. s. 222.) hat darauf aufmerksam ge- macht, dafs gewisse samnitische worte im vergleich mit den ent- sprechenden lateinischen zwischen gewissen consonanten einen vokaleinsatz zeigen, der an sich unorganisch offenbar durch die natur der zusammentreffenden consonanten allein veranlafst ist, de- ren ausspräche in unvermittelter aufeinanderfolge dem samnitischen organe schwer gefallen sein mufs, während das des Römers an ihr keinen anstofs nahm. Ich stelle die vollkommen sicheren beispiele der bemerkten eigenthümlichkeit hier zunächst übersicht- lich zusammen: 1) Al-a-faternum = röm. Alfaternorum. 2) ar-a-getud zz: römisch argento. 3) amiricatud zz: röm. etwa immercato*). 4) ter-e-mníss, ter-e-mennio; vgl. röm. terminus, umbr. termno. 5) ur-u-vo = einem röm., aus ur- vare zu schliefsenden, urvus entsprechend; aller Wahrscheinlich- keit nach ferner noch 6) aoç-o-jrofi, obgleich die bedeutung des wortes nicht bekannt ist, und 7) Mul-u-kiis, ein eigenname, der röm. höchst wahrscheinlich Mule i us lauten würde. Die ge- ringe anzahl der vorkommenden fälle darf uns bei der spärlichkeit der quellen nicht wunder nehmen, genügt jedenfalls die gesetze der in rede stehenden erscheinung zu erkennen. Die consonanten- verbindungen, zwischen denen der vokaleinsatz sich zeigt, sind lf, lk, rg, rk, rm, rv, also allemal eine liquida, und zwar entwe- der 1 oder r vor einer muta oder liquida (m). Es gehören ferner beide consonanten zum thema des wortes. Ganz deutlich ist dies bei Alafaternum, welches doch auf röm. albo, umbr. alfo zurückzu- führen sein dürfte; ferner bei aragetud (argento), entstanden aus dem skr. rajata entweder durch Umstellung, oder Vorschlag eines vokals; nicht minder bei a-miric-atud , welches zum thema des röm. merx (mere) gehört. Auch Mulukiis dürfte keine aus- nähme machen. Dagegen scheinen uruvo und aoçojrofi aller- dings mit suffix vo gebildet zu sein, und dafs in teremniss, termino in mno, mino ein ableitungselement vorliegt, ist gar nicht zu bezweifeln. Allein es ist andererseits wohl zu bedenken,*) Herekleís, Herekloi gegen röm. Herculis, Herculi kommt hier nicht in betracht, da es doch wohl aus griecli. fHç«xAijç durch eine Schwächung des a zu e hervorgegangen sein dürfte, wie sie sich auch in Vitello gegen Italia gehalten zeigt. ocr-45 p-45 38 Kirchhoff dafs für die période des selbstständigen lebens der italischen spra- chen weder das eine noch das andere suffix die geltung eines lebendigen bildungselementes mehr behauptete, vielmehr insoweit erstarrt und abgestorben war, dafs das wesen der durch sie ver- mittelten bildungen als von ableitungen dem sprachbewufstsein nicht mehr gegenwärtig war, von ihm nicht mehr deutlich ge- fühlt und empfunden wurde. Worte, wie terminus, calvus u. s. w., gelten ihm sonach als einige und untheilbare sprach- körper und die uns noch kenntliche derivate natur von terem- niss und uruvo begründet demnach für die vorliegende Unter- suchung keinen wesentlichen unterschied zwischen ihnen und Worten, wie Alafaternum, aragetud u. s. w. Mit anderen Worten: der in rede stehende vokaleinsatz ist in. beiden reihen von Wörtern durch die gleiche Ursache hervorgerufen und nicht etwa in der ersteren durch die natur der worte als suffixbildun- gen in der weise bedingt, dafs er als bindemittel zwischen wur- zel und suffix aufgefafst werden müfste. Dies beweist schon die vollkommene gleichartigkeit desselben in allen oben verzeichneten fällen. Fassen wir nämlich die vokale selbst näher ins auge, welche zwischen die bemerkten consonantenverbindungen einge- schoben zu werden pflegen, so zeigt sich auf den ersten blick eine grofse mannigfaltigkeit: bald ist es ein a, bald ein e, bald ein i, bald ein o, bald ein u, welches sich eingeschoben findet. Allein in dieser mannigfaltigkeit zeigt sich zugleich eine regel und ein gesetz. Ueberall nämlich ist es der vokal der vor- hergehenden Stammsilbe, welcher eingesetzt wird: Ala faternum, aragetud, amiricatud, terem ni ss, coQOjrofji, wrwvo, Mwlwkiis. Die durchgängige gleichartigkeit der erscheinung be- weist mehr als alles andere die gleichartigkeit der sie bedingen- den Ursache und diese ist daher überall wohl nur in der natur der durch den vokaleinsatz getrennten consonanten zu suchen, mithin euphonischer natur. In der that kommen jene consonan- tenverbindungen auch sonst nirgends vor, wonach der schlufs ge- rechtfertigt erscheint, dafs ihr zusammentreffen eben durch jenen vokaleinsatz verhindert werden sollte. Zwar scheint der eigen- name Perkens, gen. Perkedneis (Percennus), die consonanz rk, die nach amiricatud zu schliefsen, zur reihe derjenigen ge- hörte, welche vermieden zu werden pflegten, aufzuweisen; um so wahrscheinlicher aber ist es auch, dafs wir Perkens als compositum, in Per-ke(d)ns zu zerlegen, zu betrachten haben: ocr-46 p-46 vokaleinfügung im Oskischen. 39 jene dehnung erfolgte aber nur beim zusammentreffen der erwähn- ten consonanten innerhalb der wurzel eines und desselben Wortes, nicht wenn beide laute verschiedenen worten angehörten. Inter- essant ist es, dieselbe erscheinung im ältesten Althochdeutschen wiederzutreñen. Die quellen des 8., und theilweise noch des 9. Jahrhunderts zeigen nämlich zwischen ganz bestimmten conso- nantenverbindungen regelmäfsig einen vokaleinsatz , der mit der besprochenen gleichen erscheinung im Samnitischen überraschende ähnlichkeit verräth. Ich wähle aus der grofsen zahl von beispie- len diejenigen aus, welche das gesagte zu erhärten vorzüglich geeignet erscheinen: LF. LP. hal-a-p (ags. hielfa); hal-a-ftra (ags. häiftre) - LH. al-a-h (goth. alhs); el-a-ho (alces b. Cäsar; vgl. skr. rixa (ursus), nord, elgr, ags. eich); fel-a-han (goth. filhan); svel-a-han (altn. svelgja, ags. svelgan) - LW. phul-u-wi (lat. pul vinar) - RG. per-a-gan (goth. bairgan), pur-u-c (goth. baurgs), per-a-g (vgl. goth. bair- gahei); mor-a-gan (goth. maurgins), sor-a-ga (goth saur- ga) - RH. uuer-a-h (vgl. goth. vaurkjan, gr. (jn^Qyov); per-a-ht (goth. bairhts); dur-u-h (goth. ]?airh von |/tar; vgl. lat. trans u. s. w.); zor-a-ht (vgl. goth. tarhjan, gr. dsQxofjiai skr. driç); far-a-h (lat. porcus); fer-a-h (goth. fairhvus (?), ags. feorh); fur-u-h (lat. porcus), for-a-ht (goth. faurhts); star-a-h (altn. sterkr); stor-a-h (altn. storkr). - RP. RF. ar-i-pi (goth. arbi); ar-a-peit (goth. a r- bei]?s); chor-o-p (lat. e orbi s); chur-i-piz (lat. cucurbita); huuer-a-pan (goth. hvairban); sver-a-pan (goth. svairban); dar-a-f (goth. ]?arf), dar-a-pan (goth. ]?arban), dur-u-ft (goth. ]?aurfts); uuer-a-fan (goth. vairpan); dor-o-f (goth. }?aurp); har-a-fa (ags. hearpe); - RM. ar-a-m (goth. arms, lat. armus); ar-a-m (goth. arms [pauper]); uuar-a-m (vgl. goth. varmjan); uur-u-m (goth. vaurms, lat. vermis); - RW. ar-a-uuun, ar-a-uuingun (goth. arvjo) u. s. w. Die beispiele liefsen sich mit leichter mühe vervielfachen , allein die gegebenen reichen hin, die erscheinung in das rechte licht zu stellen. Bei vielen derselben macht ihre etymologie es klar, dafs beide consonanten, welche durch den vokaleinsatz getrennt wer- den, zur wurzel gehören, und der zweite nicht etwa einem suf- fixe angehört (elah, phuluwi, duruh, zoraht, chorop, chu- ripiz); namentlich klar ist dies bei worten, die entschieden dem lateinischen entlehnt sind, wie phuluwi, chorop, churipiz. ocr-47 p-47 40 Kirclihoir Sollten unter den übrigen sich welche finden, welche man als ursprüngliche suffixbildungen zu erklären berechtigt wäre, so wird man anderseits doch zugeben müssen, dafs ihnen vom Standpunkte des alth. selbst die geltung von solchen nicht mehr zugestanden werden kann, jener vokaleinsatz demnach hier wie dort als le- diglich euphonisch und nirgends als bindemittel zwischen wurzel und noch bewufst gefühltem suffixe betrachtet werden mufs. Schon die vollkommene gleichartigkeit der consonantenverbindun- gen , welche jene erscheinung beobachten lassen , nöthigt zu sol- cher annähme; deutlich hat auch hier die gleiche Ursache gleiche Wirkungen hervorgebracht. Abermals sind es die doppelconsonan- ten lp, lf, lv, lh, rg, rh, rp, rf, rm, rw, also liquida mit fol- gender muta oder auch liquida (rm), wie im Samni tischen, zwi- schen denen ein anorganischer vokal ausgebildet wird, eine er- scheinung, die sich in beiden sprachen aus der natur der liquiden buchstaben ausreichend und befriedigend erklärt. Im Samniti- scben war es allemal der vokal der vorangehenden Stammsilbe, der sich nach der liquida r, 1 bei folgendem consonanten ent- wickelte, und diese regel litt, so weit unsere kenntnifs reicht, keine ausnähme; dafs das gleiche gesetz auch im alth. einst ge- golten, darauf weisen mannigfache und unverkennbare spuren hin (vgl. aram, dorof, durwh, wunim u. s. w.); allein der vo- kalismus der spräche in dem zustande, in welchem sie uns unsere quellen vorführen, ist bereits so weit gestört, die brechung und trübung der vokale selbst der Stammsilben hat unter dem weit- greifenden einflusse der vokale der bildungs- und casussuffixe be- reits so grofse f ortschritte gemacht, dafs wir uns nicht wundern können, wenn wir nur noch spuren der alten regel da wahrzu- nehmen vermögen, wo regelloses schwanken an die stelle fester gleichmäfsigkeit getreten ist. Einflufs der endung auf die gestal- tung des eingeschobenen vokals zeigen unter den oben angeführ- ten beispielen unverkennbar z. b. aripi, churipiz u. s. w. Mag man nun in jenen anklängen spuren eines älteren gesetzes erken- nen, oder sie aïs beweise des unbewufsten Versuches betrachten, den die spräche machte zur durchbildung einer regel und in dem sie gestört wurde; auf jeden fall ist die Übereinstimmung dieser, wenn auch immer vereinzelten erscheinung mit der gleichen auf scheinbar so entlegenem gebiete so wenig zu verkennen, als sie zufällig sein kann. Noch bleibt uns eine reihe samnitischer formen zu betrachten ocr-48 p-48 vokaleiuíügung im Oskisclier 41 übrig, welche eine ähnliche, scheinbar gleiche erscheinung auf- zuweisen haben, in denen jener vokaleinsatz aber anderen grün- den seine entstehung und gestaltung verdanken mufs. Es sind folgende: 1) ak-e-nei (vgl. umbr. acno = röm. annus?); 2) pot-e-reípíd, pot-o-rospíd, pot-u-rumpíd (röm. in utroque (loc), utrique (nom. pl.), utrorumque; 3) pat-e- rei (röm. patri (dat.), umbr. patre); 4) ocm-o-qo (röm. sacra), sak-a-rater (röm. sacrator oder sacratur), sak-a-raklom, sak-a-rakleis (einem nicht vorhandenen röm. sacraculum, s a era culi (sacellum) entsprechend); 5) tef-o-rom (umbr. te- from); 6) Vest-i-rikiioi (röm. Vestricio); 7) Bov-a-janod (röm. Boviano); 8) zic-o-lom, zic-u-hid, zic-e-lei (diem, die), gegenüber den übrigen oskischen und umbrischen derivativen auf -kl o (röm. culo); 9) Puk-a-latoí (eigenname; röm. etwa Poculato, umbr. P ocla te). Abweichend ist zunächst die na- tur der consonantenverbindungen: fr, kr, tr, kn, kl, vj, also muta oder liquide (kl, kn) vor liquida; vereinzelt steht Bova- janod, wo der einsatz sich zwischen zwei halbvokalen zeigt. Die eingeschobenen vokale zeigen auch hier die gröfste mannig- faltigkeit (a, e, i, o, u); allein sie richten sich nicht, wie in den beispielen der ersten reihe, nach dem vokale der vorhergehenden Stammsilbe, sondern vielmehr nach dem der folgenden , und zwar ist diese in den meisten fällen die casusendung, oder in seltneren, wie sich zeigen wird, einem suffixe angehörig. Ungemein deut- lich tritt dies verhältnifs in den formen eines und desselben wor- tes beim Wechsel der casussuffixe hervor; sichtbar wandelt sich unter dem einflusse der letzteren die gestalt des fraglichen vokals der vorhergehenden silbe : potereipíd, potorospíd, pot m rum - píd; zicolom: ziculud^ zicelei, und zwar bewirkt, wie die bei- spiele zeigen, der diphthong ei in der vorhergehenden silbe ein e (zicelei, potereípíd, vgl. akenei, paterei); formen jener worte, deren casussuffix den diphthong ai oder o i enthalten wür- den, würden demgemäfs in der vorletzten silbe ein a oder o auf- weisen, der abl. pl. m. n. von poterpid ohne zweifei ganz ana- log potoroíspíd, fern, potaraíspíd lauten. Dazukömmt, dafs die consonantenverbindungen, die in den beispielen dieser reihe durch vokaleinsatz getrennt zu werden scheinen, anderweitig sich ohne einen solchen nachweisen lassen: TR. alttrei, entrai, minsireis; KR. Nuvkrinum (Nuccriuorum) ; FR. amfr-, lov- freis; KL. Evkloí, Herekloí, sakaraklom, so dafs die ur- ocr-49 p-49 42 Kirchhoff sache, welche jenen vokal entstehen liefs, unmöglich in der be- schaffenheit der durch ihn getrennten consonanten allein gesucht werden kann; die Wirkung müfste sonst eine durchgreifendere und ausnahmslose sein. Betrachten wir in der that die zusam- mengestellten formen vom etymologischen gesichtspunkte näher, so zeigt sich, dafs die betreffenden consonanten nirgends beide der wurzel angehören, im gegentheil entweder beide, oder doch der eine wenigstens allemal lautliche bestandtheile eines suffixes bilden; der fragliche vokal steht entweder zwischen wurzel und suffix, d. h. vertritt die funktionen eines binde- vokals, oder gehört dem letzteren ausschliefslich an. Eine genauere pruning der einzelnen formen wird diese sätze be- stätigen. l)Poterpid zunächst ist mit dem compara ti vsuffix tara gebildet, der vokal also hier wenigstens wurzelhaft; vgl. das ent- sprechende 7TÓ-T6QOÇ der Griechen, deren spräche überhaupt mit bemerkenswerther consequenz den vokal der penultima dieses suf- fixes zu wahren gewufst hat. Anders die italischen sprachen, welche hier willkührlicher schalten und, obgleich sie die will- kühr zum gesetz erhoben, weder mit sich selbst, noch unter ein- ander in Übereinstimmung sind. Während das Samnitische in poter den vokal erhielt, gab es denselben in anderen bildungen auf, ohne dafs der grund davon ersichtlich wäre; vgl. al-ttrei (alteri), eh -trad (extra), en-trai (dem ein röm. int era e ent- sprechen würde), mins-treis (ministri d. h. minoris). Aehnlich das lateinische, am consequentesten zeigt sich hier noch immer das umbrische, in welchem ausstofsung des vokals regel gewesen zu sein scheint; vgl. des-tru (dextro), e-tru (vgl. gr. heqog, röm. iterum), mes-tru (magistro d.h. majore), ner-tru (gr. véQTtQOç), pos-tra (postera), pre-tra (prior), putrespe (utrius- que), p o dru p ei (utroque), ves tra (vestra). 2) Suffix tar. Hierher gehört pa-terei (patri), das, wie das Griechische über- all vor den leichteren casusendungen, den stammhaften vokal des suffixes erhalten hat, während das Lateinische und Umbrische (vgl. den dat. patre) ihn regelmäfsig ausstofsen. Allein auch hier bleibt das Samnitische nicht consequent; denn das mit ganz dem- selben suffix gebildete mater (mater) bildet den gen. mâtreís, mit synkope des vokals, vgl. noch fût reí (dat., von j/fu). - 3) Suffix ara. Hierher dürfen wir wohl das adjektivum aan-oQO sammt seinen ableitungen (sakaraum, sakaraklom), sowie das substantivum tef-orom rechnen, obgleich weder die etymologic ocr-50 p-50 vokaleinfügung im Oskischen. 43 des einen, noch des anderen wortes hinlänglich klar ist, und lat. umbr. sacro und umbr. tefrom den vokal vermissen lassen. Denn im umbrischen ist die synkope desselben zur regel erhoben und hat den unterschied zwischen den biidungen mit sufüx ara und ra gänzlich verwischt, und das lateinische ist in dieser be- ziehung von willkühr nicht frei 5 auch das samnitische nicht; man vgl. nur lovf-reis (liberi), für welches wort doch die Überein- stimmung von gr. ilev&EQog und lat. libero die ursprünglichkeit des vokales zu erweisen scheint. Jedenfalls haben wir keinen grund, den vokal in den in rede stehenden worten für weniger ursprünglich, als in poter neben der überwiegenden mehrzahl synkopirter formen gleicher bildung, zu halten. Danach ist denn auch der scheinbare vokaleinsatz im eigennamen Vestirikiíoí (Vestricio) zu beurtheilen. Derselbe läfst in seinen letzten be- standtheilen deutlich die hinlänglich bekannten suffixe iko und iio (röm. io) erkennen. Was übrig bleibt, Vestir, kann un- möglich einfache wurzel sein. Man kann zweifelhaft sein, ob man eine bildung mit suffix tara oder ara anzusetzen hat; auf jeden fall ist die natur des fraglichen vokals unzweifelhaft die nämliche, wie in den bisherigen fällen: der vokal ist im suffixe wurzelhaft. - 4) Suffix kulo. Damit ist zicolo gebildet, wel- ches ein deminutivum zu sein scheint (umbr. sprachd. I, s. 108 anm.). Das latein der späteren zeit bewahrt in biidungen dieser art zwischen den consonanten des suffixes regelmäfsig den vokal (u); allein es ist bekannt, dafs es in einer früheren période, zu- mal in der spräche des Umganges, zur synkope in den biidungen auf culo, cuia und ulo, ula neigte (vinclum, periclum, poplom u. s. w.), und im umbrischen ist diese synkope zur re- gel erhoben und durchgeführt. Das samnitische selbst ist in die- ser beziehung nicht ganz consequent; denn neben zicolo findet sich sakara-klom (vgl. auch den götternamen Evkloi). Da letzteres primäre bildung von einem verbalthema ist, zicolo dage- gen secundare ableitung von einem substantive zu sein scheint, so könnte die vermuthung gerechtfertigt erscheinen, als habe die spräche zwischen dem primären und secundaren suffix in bezug auf jene synkope unterschieden; indessen ist die anzahl der vor- liegenden beispiele zu gering, als dafs dadurch eine solche regel mit Sicherheit sich erweisen liefse, und möglich bleibt immer, dafs die spräche hier nicht minder willkührlich verfuhr , als bei den biidungen mit suffix ara. Dagegen zweifele ich nicht, dafs der ocr-51 p-51 44 Kircbhoff eîgenname Pukalatoí, was die Unterlassung der synkope betrifft, mit zicolo zusammenzustelien ist. Augenscheinlich nämlich ist Pukalatoí eine participiaibildung von einem abgeleiteten verbal- thcma Pukala, und dieses ist wiederum auf ein substantivum zurückzuführen, wTelchcs allem anschein nach mit suffix kulo oder ulo gebildet ist, folglich etwa pukolo, pukolom oder pukel (für pukolos) gelautet hat. Dafs in Pukalatoí sich zwischen den consonanten ein a zeigt, hat seinen grund darin, dafs der vokal des suffixes bei der Weiterbildung unmittelbar vor den conjugationscharakter (a) zu stehen kam, welcher folgerichtig dieselbe und zwar sich immer gleichbleibende Wirkung auf ihn ausübte, wie die casussufflxe in zicclei, zicolom u. s. w. , d. h. sich denselben assimilirte. Weniger klar ist die natur des vokals in a ken ei 5 das suffix no ist zwar im lateinischen und griechischen nicht gerade selten (vgl., um nur eins der bekannteren beispiele anzuführen, lat. som-nus, gr. vn-vog)« allein nirgends zeigt sich eine spur von einem ehemals vorhanden gewesenen vokal im anlaut des suffixes. Da nach allem, was im vorhergehenden be- merkt worden ist, wohl nicht angenommen werden darf, dafs die natur der die consonanz bildenden laute es gewesen sei, welche einen vokaleinsatz hervorrief, wie die bild ungen der ersten reihe dies anzunehmen allerdings nöthigten, so will es fast schei- nen, als habe das samnitische das in rede stehende suffix vermit- telst eines bindevokals an das thema zu setzen gepflegt, der ver- möge seiner ganzen natur sich dem einflufs des vokals der fol- genden silbe zu fügen wohl geneigt sein konnte. Da anderwei- tige beispiele uns leider abgehen, so mag das gesagte immerhin nur als ein versuch betrachtet wTerden, ein einzeln stehendes fac- tum zu erklären: Sicherheit hier zu erlangen, dürfte überhaupt schwer fallen. Ganz eigentümlicher art ist endlich auch das auftreten eines wandelbaren vokaleinsatzes in Bovaianod gegen Bovi ano. Sicher ist dieses wort eine Weiterbildung vom primi- tiv Bovi a mit suffix ano, und jenes Bovia ist wiederum sei- nerseits unzweifelhaft von der einfachen wurzel mit suffix io ab- geleitet. Unter diesen umständen ist das auftreten eines a zwischen wurzel und suffix in der samnitischen form allerdings auffällig. Unmöglich kann man indessen das ai derselben dem röm. kur- zen i gleichsetzen wollen; die vergleichung von osk. Pompai- jans gegen röin. Pompêjanus (Mo m ms en s. 253) ist ungehö- rig, da hier ai vielmehr einem langen e, welches der oskischen ocr-52 p-52 vokaleinfügung im Oskischen. 45 form nach zu schliefsen aus ai entstanden zu denken ist, ent- spricht. Ich weifs mir daher jenes fragliche a nicht anders zu erklären, als durch die annähme, dafs die Samniter das i ihres suffixes io (ursprünglich doch bekanntlich jo) wirklich wie j ausgesprochen und sich beim zusammentreffen der halbvokale v und j zwischen beiden zur erleichterung der ausspräche ein vokal entwickelt habe, dessen entstehung durch die bekannte natur jener laute begünstigt und erleichtert wurde, der aber zu schwach ge- blieben wäre, als dafs er nicht der durch die analogie geforderten assimilation zum vokale der folgenden silbe sich hätte unter- werfen müssen. Ich bemerke noch, dafs das zeichen i auf dem steine, dem unsere form entnommen ist, nicht mit dem diakriti- schen striche versehen ist, welchen dasselbe in den diphthongen oí, aí, eí sonst zu zeigen pflegt, wir demnach das ai inBovaia- n o d als diphthong zu fassen wenigstens nicht genöthigt sind. - Fassen wir das ergebnifs der vorstehenden betrachtung kurz zu- sammen, so zeigt sieb, wenn wir von den beiden zuletzt aufge- führten beispielen, deren erklärung ich nicht in jeder beziehung zu vertreten wage, absehen, dafs der vokal in den fällen der zweiten reihe fast durchweg wurzelhafter bestandtheil eines bil- dungselementes ist. Als einem minder wichtigen bestandtheile des wortganzen angehörig und von nur untergeordneter bedeu- tung war derselbe aber der abschwächung ausgesetzt. Wie schwach und des Widerstandes unfähig er gewesen sein mufs, lehrt recht deutlich die entschiedene neigung, welche die spräche ver- ra Hi, ihn durch synkope gänzlich zu beseitigen. Zu verwundern ist es demnach durchaus nicht, wenn er, wo die laune derselben sein dasein noch fristete, sich unselbstständig und von äufserem einflusse abhängig zeigt. So wird der Charakter der unmittelbar folgenden silbe für ihn allemal mafsgebend und zu einer festen und gleichmäfsigen geslalt gelangt er nur in den fällen, wo das dominirende element sich selbst durchweg gleich bleibt (saka- raklom, sakarakleis, s ak ara ter, Pukalatoí, Vestirikiíoí) wandelbar ist er nothwendig überall da, wo ein stets wechseln- der einflufs sich geltend macht d. h. wo er unmittelbar vor ca- sussuffixen zu steheu kommt. Belehrend wäre es auch hier, die ganz ähnlichen erscheinungen, welche unter den germanischen spra- chen namentlich das althochdeutsche aufzuweisen hat, zu verglei- chen; allein theils würde dazu der mir verstattete räum nicht rei- chen, theils zeigen dieselben hier einen weit regelloseren charakter. ocr-53 p-53 46 Benary Im gegensatz dazu hat das samnitische, indem es die gestaltung des lautes nach festen und sich stets gleich bleibenden normen regelte, gewissen theilen seiner flexion eine harmonische mannig- falligkeit der lautlichen Verhältnisse zu verschaffen gewufst, die von dem organisirenden triebe des idioms uns keine geringe mei- nung beizubringen geeignet ist. Zum beweise des gesagten stehe hier der gröfseren anschaulichkeit halber die flexion des adjektiv- stammes sakoro, wie dieselbe sich nach den ergebnissen der obigen erörterung feststellen würde: m. n. f. n. v. saker*). sakorom. sakoro. g. sakereis sakereis. sakaras. d. sakoroí. sakoroí. sakaraí. loe. sakereí. sakereí. sakaraí. acc. sakorom. sakorom. sakaram. abl. sakurud. sakurud. sakarad. n. v. sakoros. sakoro. sakaras. g. sakurum. sakurum. sakarasum. d. abl. sakoroís. sakoroís. sakaraís. acc. sakoross. sakoro. sakarass.Dr. A. Kirchhoff. ocr-54 p-54 ger 1 1852 Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen 1 Kirchhoff A. 1 10.2307/i40037640 research-article 09372679